FINE TOBACCO
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Über das erfolgreichste Nachtschatten-Gewächs der Welt
Rüdiger Lutz Will: "Hersteller bei der Mischung gefordert"
Für viele ist Rüdiger Lutz Will durch das "R.L. Will Pipe Studio" und die "Reiner-Pfeifen" ein Begriff. Nachdem er in den Sechzigern sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat, ist das Nachtschatten-Gewächs "nicotiana tabacum" ein Teil seines Lebens geworden. Ausführlich sprach der Mann aus Bünde für Die Tabak Zeitung über Pfeifentabake.
DTZ: Herr Will, in letzter Zeit liest man sehr viel über die Herstellung von Zigarren, Wie wird eigentlich Pfeifentabak angebaut?
R. L. Will: Die Aussaat der mikroskopisch kleinen Samen, von denen 12000 Körner etwa ein Gramm wiegen, und das Aussetzen der Jungpflanzen ist bei nahezu allen Tabakpflanzen gleich. Nur werden natürlich bei Pfeifentabaken andere Samen verwendet als bei Zigarrentabaken. Im Laufe der Jahrhunderte hat man unterschiedliche Sorten gezüchtet, die sich entweder für Rauchtabak, für Zigarren- oder Zigarettentabak eignen. Beispielsweise ist indonesischer Zigarrentabak in seiner Blattstruktur dem Virginia- oder Burley-Rauchtabak ähnlich. Aus winzigen Samen wird dann eine Pflanze in einer Höhe zwischen 30 Zentimetern (bei Orienttabaken) und drei Metern (beim Burley). Ihre ganze Entwicklung wird natürlich durch Faktoren wie Boden, Klima, Bewässerung etc. beeinflußt...
DTZ: Also eigentlich wie beim Weinanbau.
R. L. Will: Vereinfacht ausgedrückt: ja. Entscheidend ist auch hier, wo der Tabak wächst, d.h. welche geschmacksbestimmenden Mineralien er aus dem Boden aufnimmt. Es wurden auch verschiedene Sorten gekreuzt, um zu anderen Tabaken zu kommen. Das Ergebnis waren z.B. nikotinarme Tabake, oder solche, die mehr Zucker entwickeln und damit für die Rauchtabakherstellung geeigneter sind. Bei Pfeifentabaken hat jede Sorte mit ihrem speziellen Geschmack eine entsprechende Funktion in der Tabakmischung. Virginia, Burley und Maryland bilden mit 70 bis 80 Prozent die Basis für eine in unseren Regionen gut verträgliche Mixture. Daneben gibt es unzählige Orienttabake, die man in guten Rauchtabakmischungen findet. Da sie neben ihrem unvergleichlichen Aroma sehr nikotinarm sind, werden sie natürlich auch für die Zigarettenherstellung verwendet. Als Würztabake bezeichnet man schließlich den Kentucky, den Perique und den Latakia. Wie der Name schon sagt, verleihen sie einer Mischung die entsprechende Würze.
DTZ: Und in welchen Ländern werden Rauchtabake angebaut?
R. L. Will: Der Virginia stammt aus den USA. Mittlerweile wird er aber auch in Brasilien angebaut, wo er in den letzten Jahren immer besser wurde. Den besten Virginia außerhalb der Vereinigten Staaten findet man aber in Simbabwe und Mosambik. Als Simbabwe noch Rhodesien war, haben die Engländer dort den Tabak hervorragend kultiviert. Ein großer Virginia-Lieferant auf dem afrikanischen Kontinent ist auch Tansania. In Asien sind das Indien und China, wobei sich der Tabak dort bisher nur für Zigaretten eignet. Aber auch Kanada, Mexico, Frankreich oder Italien produzieren Virginia. Bei uns findet man Anbaugebiete z.B. in Niedersachsen.
DTZ: Was ist das Besondere am Virginia?
R. L. Will: Sein heller, echter Tabakgeschmack mit einer leichten, natürlichen Süße. Er ist relativ mild, das hängt aber wiederum vom Reifegrad und der Blattstruktur ab. Der heute noch beste Virginia wächst in den beiden Carolinas und im Osten der USA, in Virginia selbst. Es gibt helle Sorten, die viel Soße aufnehmen können und einige haben auch einen hohen Teergehalt. Optimal ist aber ein orangegelbes Blatt mit rötlichen Sprenkeln, einer offenporigen Blattstruktur und einer relativ feinen, dunkelbraunen Rippe. Das Blatt ist dabei 25 bis 40 cm lang. Die Blätter des Burley haben dagegen meist eine rehbraune Farbe, manche sind auch rotbraun. Neben seinem leicht nussigen Geschmack ist der Burley mit seiner offenporigen Blattstruktur sehr hygroskopisch und damit der ideale Aromaträger. Auch bei diesem Tabak gibt es wahnsinnige Unterschiede. So ist ein Burley aus dem Mittleren Westen der USA (westlich der Appalachen) kräftig und dunkel. Er wird gerne als "Dark Burley" bezeichnet und geht von der Art schon fast in Richtung Kentucky. Im Gegensatz zum Kentucky wird er aber nicht über dem Feuer, sondern nur an der Luft getrocknet. Der dunkle Burley hat einen sehr kernigen Charakter und einen hohen Nikotin- und Teergehalt. Dagegen ist der "White Burley" - allein schon vom Saatgut her - ganz anders. Er wird östlich der Appalachen angebaut und ist, wie der Maryland, relativ leicht, sehr offenporig mit einem schönen Aroma in Richtung Nuß und Schokolade. Daß es so ein Burley manchmal in sich haben kann, merke ich immer dann, wenn ich einen Tabak mit hohen Burley-Anteil rauche - ich bekomme jedesmal einen Schluckauf. Heute wird der Burley von Kanada bis Argentinien, in Zimbabwe, Polen, Thailand - quasi auf der ganzen Welt - angebaut. Dabei ist er gerade mal 130 Jahre alt. 1864 wurde in Ohio eine Tabakpflanze entdeckt, die als "Red Burley" bezeichnet wurde und sozusagen die "Urmutter" dieser Gattung ist.
DTZ: Unter den Würztabaken stammen ja der Kentucky und der Perique ebenfalls aus den USA.
R. L. Will: Genau. Der Kentucky wächst hauptsächlich in den Staaten Kentucky und Tennessee, eingebettet zwischen dem Mississippi, dem Ohio und dem Appalachen-Gebirge. Er hat ein großes harz- und fettreiches Blatt, das nach der Feuerung ein dunkles Rotbraun besitzt. Die Feuertrocknung haben die Siedler von den Indianern gelernt, dabei werden die luftgetrockneten Blätter über offenem Feuer aus Hickory-, Eichen- oder Ahornholz geröstet. Der Kentucky entwickelt dadurch ein starkes, etwas nussiges Aroma. Ursprünglich war er für Schnupf- und Kautabak bestimmt. In einer leichten Rauchtabak-Mischung sollte sein Anteil eigentlich nicht mehr als 5 Prozent betragen; mit 10 Prozent ist die Mixture dann schon recht kernig. Der Kentucky wird auch in Kanada, im afrikanischen Malawi und, für die "Toscani"-Zigarren, in Norditalien angepflanzt. In diesen Ländern erreicht er aber kaum die Qualität des "Originals". Ein ganz anderes Thema ist der Perique: Um 1800 haben Farmer im Mississippi-Delta begonnen, ihren schweren, dunklen Lousiana-Tabak zu veredeln. Nach einer kurzen Lufttrocknung werden die Blätter mit einer Soße aus Pflaumensaft, Fruchtpulpen und Gewürzen in große Eichenfässer gestopft. Bei einem Pfeifentabak-Hersteller ist die Soßierung ja schon immer das große Geheimnis. Aber die Farmer aus Lousiana konnten die Herstellung des Perique über Generationen so geheim gehalten, daß man diesen teuren und raren Würztabak eben nur in dieser Region findet. Wenn die Fässer nach Wochen wieder geöffnet werden, ist der Tabak blauschwarz und verströmt einen betörenden Duft. Einer Tabakmischung verleiht er dann ein fruchtig-süßes Aroma.
DTZ: Vorhin nannten Sie den Latakia als weiteren Würztabak.
R. L. Will: Ja, der Latakia ist ein ganz besonderer Tabak. Er wächst an den nördlichen Hängen des Libanongebirges, am Westrand der syrischen Hochebene, rund um die Hafenstadt Latakia und auf Zypern. Weil die Böden dort so karg sind und bei hoher Sonneneinstrahlung so wenig Niederschlag fällt, bildet die Pflanze nur kleine Blätter aus. Diese werden ohne jede Fermentation, also grün, einer Feuertrocknung aus Kiefern- oder Eichenholz unterzogen, die oft Monate dauert. Zwischendurch befeuchtet man die Blätter immer wieder, damit der Rauch gut haften bleibt. In Deutschland werden rauchige Mixtures mit einem entsprechenden Latakia-Anteil oft als Englische Mischung bezeichnet. Ein richtiger Englischer Tabak hat aber auch einen großen Anteil an Orienttabaken.
DTZ: Sie sagen immer wieder, daß das Thema "Orienttabak" ganze Bücher füllen könnte. Welche Länder produzieren Orienttabake?
R. L. Will: In Skopje und Sarajevo gab es ganz hervorragenden Tabak. Außerdem in Mazedonien, Rumänien, Kroatien und Slowenien. Auch Bulgarien macht einen sehr guten Orient. Der meiste Tabak wird natürlich in Griechenland und der Türkei angebaut. Die Pflanzen sind sehr kleinwüchsig, gerade mal 30 bis 40 Zentimeter hoch. Die Blätter sind zehn, fünf und manchmal nur zwei Zentimeter lang. Soweit man das pauschal sagen kann, gedeihen die besten Orients in Höhenlagen auf kargen, nährstoffarmen Böden. In der Endverarbeitung haben die Blätter eine schöne, hellgelbe bis braun-orangene Farbe. Ihr Aroma ist eine unvergleichliche, süße Würze. Leider sind diese Tabake auch wegen ihres niedrigen Nikotingehaltes so begehrt und die Zigarettenindustrie kann für Orients mehr zahlen, als der Hersteller von Pfeifentabaken. Orienttabak ist phantastisch, aber für Rauchtabake manchmal nicht mehr kalkulierbar. Es ist niemand bereit, für 50 Gramm Tabak 22 Mark zu zahlen. Sie müssen als Kaufmann immer noch im Hinterkopf haben: Was ist der Kunde bereit zu zahlen?
DTZ: Und wie sieht die Weiterverarbeitung aus?
R. L. Will: Nach der Ernte wird der Tabak getrocknet. Beim Burley ist das die Lufttrocknung in großen Schuppen. An langen Stangen oder Schnüren werden die Tabakblätter aufgehängt und können so drei bis sechs Wochen in natürlicher Umluft trocknen. Die Luftzufuhr wird durch jalousieähnliche Klappen in den Außenwänden geregelt. Eine andere Art der natürlichen Trocknung ist die Sonnentrocknung der Orienttabake, die etwa 1 bis 3 Wochen dauert, danach kommen die Blätter in den Schatten. Zur künstlichen Trocknung zählt man das "flue-curing", die Röhrentrocknung der Virginiatabake. Hier werden die Tabakblätter regelrecht in einem Schockverfahren mit Heißluft getrocknet. Bei 60 C dauert das etwa eine Woche. Durch diese schnelle Fermentation wird der Zucker sehr geschont und der Tabak bringt dann schon von Natur aus eine gewisse Süße mit. Die Feuertrockung des Kentucky habe ich ja eben schon angesprochen. Auch er hat einen höheren Zuckerbestandteil, als die naturfermentierten Tabake. Bei der natürlichen Fermentation werden 8 bis 12 Blätter zu einer "hand" zusammengefaßt und das Ende mit einem Blatt gebunden. Das hat den Vorteil, daß keine Schnur- oder Stoffbandreste in den Tabak kommen können. In unserer Tabakfabrik hatten wir etwa zwölf Frauen, die nur Bandreste und Hühnerfedern aus dem angelieferten Tabak klaubten.
DTZ: Werden allzu große Geschmacksunterschiede durch die Weiterverarbeitung, wie die Soßierung homogenisiert?
R. L. Will: Ja, der Tabak wird mit Dampf behandelt, um ihn geschmeidig zu machen und ihm allzu dominante Aromenspitzen zu nehmen. Schließlich soll eine spezielle Tabakmischung für den Kunden immer gleich schmecken. Heute behandelt man aber Tabake stärker mit Dampf, als früher. Dadurch wird der Tabak leider in vielen Fabriken fast neutralisiert und erhält erst durch die anschließende Soßierung und das Top Flavour seinen Geschmack. Der Tabak ist dann natürlich mild auf der Zunge, aber er hat doch einiges an Charakter verloren.
DTZ: Und welche Alternativen gibt es?
R. L. Will: Der Tabakhersteller ist eben gefordert, durch die richtige Auswahl von Tabaken eine Mischung zu komponieren. Während meiner Ausbildung in einer belgischen Tabakfabrik mußten wir aus den frischen Ballen einige Blätter entnehmen, die fein geschnitten und zu Zigaretten gedreht wurden. Diese Zigaretten mit dem purem, unbehandeltem Rohtabak mußten wir testen. Wenn zehn verschiedene Sorten "auf Lunge" probiert werden mußten, war das natürlich keine leichte Arbeit. Danach wurden Beurteilungen ausgefüllt, wo auch die Frage "wie wirkt sich der Tabak beim Inhalieren aus?" stand. Für mich war diese Methode sehr hart, weil ich mich bis zu meinem vierundzwanzigsten Lebensjahr erfolgreich gegen das Inhalieren gewehrt hatte, aber bei der Beurteilung von Rohtabaken bekommt man dadurch tatsächlich ein besseres Bild. Auch bei den Mischungen muß immer wieder probiert werden. Wenn man auch noch so viel Hintergrundwissen und Erfahrungswerte hat, erlebt man dabei gelegentlich Überraschungen. Anschließend kann man mit der Soßierung dann noch einen gewissen Ausgleich oder eine Ergänzung schaffen.
DTZ: Wie funktioniert eigentlich das Soßieren?
R. L. Will: Die entrippte Tabakmischung kommt in eine große Trommel, in der Zinken den Tabak umwälzen. Gleichzeitig sprühen ihn Düsen von allen Seiten mit der Soßierung ein. Danach wird er im allgemeinen abgepackt und mindestens 12 Stunden in Ruhe gelassen, damit sich die Feuchtigkeit und die Aromastoffe dem Tabak richtig mitteilen. Als nächster Schritt wird der Tabak geröstet. Die Soßierung wird dabei regelrecht in den Tabak eingebrannt und geht mit den Geschmacksbestandteilen des Tabaks "eine Ehe" ein. Sehr schön kann das beim Burley sein: Er wird in Zuckersirup getaucht, geschnitten und geröstet. Optimal ist dann eine "Karamelisierung" der Zuckerbestandteile. Während die Soßierung für den Geschmack maßgebend ist, spielt oft ein Top Flavour die kaufentscheidende Rolle, wenn der Kunde am Tabak riecht. Die Kaufent- scheidung wird ja gerne mit der Nase gefällt. Im besten Fall stimmt dann der Geschmack beim Rauchen mit dieser ersten Beurteilung überein. Dabei beeinflußt das Top Flavour neben dem Raumduft auch etwas den Geschmack. Im krassesten Fall kann eine Mischung gut riechen, aber schlecht schmecken.
DTZ: Welche Rolle spielt der Schnitt beim Geschmack ?
R. L. Will: Beim Curley-Cut wird z.B. aus den Blättern und verschiedenen Ölen ein Endlosstrang gesponnen und geschnitten. Die Öle werden zwar als geschmacksneutral bezeichnet, beeinflussen aber doch den Geschmack des Tabaks. Entscheidend ist auch die Schnittbreite, weil ja ein breiterer Tabakstreifen bekanntlich langsamer und kühler brennt, als ein schmaler. Bei einem fein geschnittenen Tabak besteht die Gefahr, daß ein schnellerer und heißerer Brand die Aromenstoffe stört, ja manchmal zerstört. Ein Wild Cut hat dagegen einen langsamen Brand und einen kühlen Rauch. Er ist durch seine unterschiedlich breit geschnittenen Tabake auch recht komfortabel zu stopfen. Mehr Aufwand erfordert dagegen der Flake. Die gepreßten Schichten müssen vor dem Stopfen erst aufgelockert werden. Interessant ist auch der Cube Cut, der vor allem in Amerika sehr beliebt ist: Hier besteht der Tabak aus kleinen Würfeln. Mit der länglichen Tabaksdose wird die Pfeife eigentlich eher gefüllt, als gestopft.
DTZ: Was würden Sie dann einem Anfänger empfehlen?
R. L. Will: Entweder ein Ready Rubbed oder noch besser ein Crimp Cut. Durch seine Struktur kann er nicht so leicht "verstopft" werden. Auch ein Cavendish, also ein Tabak der noch eine zweite Maschinenfermentation durchgemacht hat, ist für einen Einsteiger sicher eine gute Wahl. Wenn er vorher Zigarren geraucht hat, kann er sich vielleicht auch mit dem rauchigen Aroma eines englischen Tabaks anfreunden. Aber eigentlich halte ich mich mit solchen Empfehlungen lieber zurück. Bekanntlich kann man über Geschmack nicht streiten und um die "richtige" Tabakmischung zu finden, hilft nur eins: Probieren.
Das Interview führte Elmar Schalk, Tabakzeitung
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